Verfasst von Markus Roepke
Warum Victor?
Zuerst – also ab 2017 – gab es in unserer Familie Hugo, einen 1987er VW Bus Typ T3. Der gehört meinem Sohn. Bevor Hugo aber fahrfertig war und mit H-Kennzeichen ge-tüvt wurde, stand er viele Monate in meiner Garage. So habe ich im Winter neue Bleche hinmodelliert und auch sonst meinen Teil zum Gelingen beigetragen. Das hat mir viel Spaß gemacht, denn ich fühlte mich an die Zeit vor gut 30 Jahren zurückerinnert, als ich meinen ersten Bus – die lila Kuh – ausgebaut habe. Aus der Zeit stammt auch die Absorber-Kühlbox der Marke Electrolux, die immer noch ihren Dienst tut, auch wenn der Energieverbrauch mit 85W nicht mehr zeitgemäß ist.
Irgendwann im Spätherbst gesellte sich der weiße Vito dazu und allen Kindern war sofort klar, dass dieser Bus auch einen Namen bräuchte und man kombinierte, was denn zu Hugo so passen könnte: Friedrich und Hugo? Max? Oder ein Mädchenname – wie z.B. Helene oder Hanna? Vito und Hugo – da war dann in meiner frankophonen Familie schnell klar, dass es auf Victor (&) Hugo hinausläuft. Also Victor Ügoh.
Darum trägt er auch die Buchstabenkombination STA –VT, die 22 ist kurz und zudem mein Geburtstag.
So, das zur Vorgeschichte und nun zum Fahrzeug selbst:
Originalzustand
Ausgeliefert wurde er als Vito 113 4x4 an die Telekom in Leipzig im Dezember 2011 und war dort als Werkstattwagen mit Schraubstock, Systemregalen und Gasflaschen unterwegs. Spartanisch ausgestattet gab es nur den Luxus einer echten Klimaanlage, der Standheizung und der Einparkhilfe. Zusätzliche Geräusche produzierte ursprünglich das CD-Radio „Sound 5“ mit den mittenbetonten Zweiwegelautsprechern. Dank massiver und fest vernieteter Trennwand war es dennoch recht leise im Fahrerhaus.
Umbau Step-by-Step
Genau diese Trennwand flog als erstes raus, um den Durchgang nach hinten zu ermöglichen. Gemäß meiner langjährigen Erfahrung, dass Alles, was zusammengebaut wurde sich rückwärts wieder zerlegen lässt, fanden wir alle Schrauben und Nieten. Tja, doch nun war es aus mit der Ruhe. Der Vito schepperte wie eine Blechbüchse gefüllt mit Kieselsteinen.
Ganz genial und einfach zu verarbeiten ist das selbstklebende Alubutyl, das dem Blech jeglichen Swing nachhaltig verleidet. Und um ein sattes „Plopp“ der Türen zu erzielen und zugleich Lärm, Kälte oder Hitze draussen zu halten, wurde Victor dann zusätzlich mit 19mm Armaflex isoliert. Das ist nicht viel, aber schon ganz ok.
Den Wagenboden zierte eine zweiteilige Multiplexplatte, die ich dann an der Unterseite mit 20mm Styrodur XT isolierte. Für die Möbelelemente habe ich vorher noch Einschlagmuttern von unten eingesetzt, ebenso flexible Rohre für die Verlegung der Elektrik eingepasst. Der graue Antirutschlack war sicher praktisch, aber wir hatten noch ein paar Quadratmeter Laminat übrig, was ich dann auf die Multiplexplatte geklebt habe.
Die Einrichtung habe ich lange geplant – mir war es wichtig, nicht jeden Abend erst großartig umbauen zu müssen, sondern einfach ins Bett fallen zu können. Und ich möchte vielleicht mal mit Frau Guzzi im Laderaum weitere Strecken fahren, darum also der Raum in der Mitte und eine Lattenrost zum Rollen (von I*** für 13 €). Diesen Raum kann ich mit vier Euroboxen (60x40x42) und vier 20l-Kanistern plus zweimal Wasser à 10l exakt füllen.
Die Möbelelemente sind aus Birkenmultiplex in 15mm und 6,5mm Stärke, die gebogenen Rückwände – damit nix hinten runterfällt und auf immer und ewig verschwunden bleibt – habe ich aus 4mm Pappelsperrholz geformt.
Technik
Ganz wichtig ist die Zweitbatterie, um bei allen Extras am nächsten Tag noch starten zu können, denn anschieben geht bei Automatik nicht. Da habe ich 80Ah verbaut, die überwiegend von einem 100W Solarpanel und zusätzlich über die Lichtmaschine gespeist wird. Fest auf den Polklemmen verschraubt ist auch noch das Ladekabel eines kleinen Ladegeräts. Die gesamte Elektrik hat dann mein Sohn mit mir als Stift über die Weihnachtstage gebaut, denn er ist Bootsbaugeselle und kann das.
Oben auf dem Dach ist die Solarzelle so in den Gepäckträger eingehängt, dass ich die Traversen auch für’s Kanu nutzen kann. Und da hängt dann noch eine LED-Lichtleiste als sogenanntes „Arbeitslicht“ – ohne E-Zeichen, dafür mit hellen 300W.
Der Gasherd ist auf Schwerlastauszügen gelagert und gibt ordentlich Hitze … wichtig für meinen Espresso, ohne den kein Tag beginnt. Für den Tee abends kommt dann ein chinesischer Wasserkessel zum Einsatz, der mich seit 1988 begleitet und damals in Chinatown in New York gekauft wurde. Die restlichen Alutöpfe habe ich nicht reaktiviert, da der Abrieb einfach nervt und wohl auch nicht ganz so gesund ist.
Festes Schuhwerk
Da uns gleich die erste Reise in Gegenden führt, wo der Asphalt noch schlechter ist, als bei uns, mussten vernünftige Reifen her, denn die Allwetter C-Reifen sind halt für Mitteldeutschland gedacht: beste Straßen und kein Schnee.
Da kommt dann schnell eines zum anderen: größere Reifen bedingen ein höher gelegtes Fahrwerk und das wiederum muss der TÜV abnehmen. Geht alles! Und zwar mit guter Vorbereitung und erstklassiger Umsetzung. Von Terranger, Spaccer und BF Goodrich sind die Komponenten, der Umbau erfolgte dann in einem familiärem Meisterbetrieb. Und wenn alles schön gemacht ist und ordentlich dokumentiert, dann freut sich der Prüfer richtig auf die Probefahrt und schwärmt dabei dann von seinen Reisen … ja, man muss nur mit den Leuten reden!
Lieferadressen
Vieles gibt es im Internet, nur keine Beratung und erst recht kein probieren, anfassen, dran riechen oder abwägen und vergleichen. Das leistet nur das Fachgeschäft und speziell der Einzelhandel!
Deshalb habe ich meine Matratzen bei dem Familienbetrieb in Laim zuschneiden lassen, wo ich schon 1989 Kunde war, meine Bücher und Landkarten besorgt und liefert innerhalb von 24 Stunden meine Buchhandlung in der Sollner Straße, und so weiter…
Die Kriterien für Wohnmobil sind neben Bett und Kocher noch „Tisch“, „Luft & Licht“ sowie ein „gemütlicher Wohncharakter“.
• Unser Tisch ist klappbar, wird seitlich eingehängt und steht auf den Stahlbeinen eines original Biertisch von Augustiner.
• Licht und Luft gibt’s von oben mit einer grossen Dachluke, seitlich kommt dann noch ein Originalfenster in die Tür.
• Für die Gemütlichkeit hat vor allem Magdalena gesorgt mit den verkleideten Fensterfüllungen und Dachhimmel aus perforiertem Kunstleder sowie den Utensilos aus alten Jeans, die viel Kleinzeug aufnehmen.
Kleine Extras
• Der Sound kommt jetzt aus einem Multimediaradio, verstärkt durch eine Endstufe und zu Gehör gebracht mittels eines Dreiwegesystems mit tiefem Bass, satten Mitteltönern und Kalotten-Hochtönern.
• Für den Fall, dass jemand das Auto aufbrechen sollte und nach Wertsachen sucht, habe ich einen ziemlich großen Möbelsafe eingebaut. Den kann man zwar mit einer Akkuflex oder einem Goaßfuß innerhalb von 15 min. knacken, aber soviel Zeit nimmt sich keiner.
• Falls wir in der 15-Millionenstadt Teheran unseren Victor nicht mehr finden, kann ich ihn mit einem GPS-Tracker orten. Auch wenn Victor zu schnell unterwegs ist, sich aus einem markierten Gebiet herausbewegt oder gar lautstark Party macht, meldet sich der PAJ-Tracker bei mir und schlägt Alarm.
Zahlen, Daten, Fakten
• Mercedes Benz Vito W639/5 von 2011
• Kilometerstand bei Abfahrt etwa 114’000
• Modell 113 4x4 Blue Efficiency Euro 5 mit DPF ohne AdBlue
• 136 PS/100 kW aus 2,2 l Hubraum (aber da geht noch was…)
• Radstand: Ja, sehr und vor Allem lang. Also so 5,30m
• Fahrwerkerhöhung: Spaccer mit insgesamt 36mm
• Bereifung jetzt 225/70 R16 auf stabilen Felgen vom W447 (ET52) mit Mustergutachten von Terranger – das ist heute das Maximum, nur Kayser hat vor zehn Jahren mal 205/80 R 16 realisiert. 215/70 R16 ist auch möglich und diese Größe hat den smarten Effekt, nahezu alle Reifen und Profile aus dem SUV-Markt montieren zu können.
• Traglast min. 99, der Goodrich hat 102
• Den Tacho kann man angleichen, aber erst einmal ausprobieren, denn die Tachos vom Vito übertreiben masslos und manchmal reicht das ganz knapp
• Zulassung jetzt als Sonder-Kfz Wohnmobil über 2,8 t
Worüber ich mir noch Gedanken mache…
Was kann dir mit einem modernen Fahrzeug eigentlich passieren?
• Mechanik: Sehe ich keine Probleme, da wir weder ins grobe Gelände fahren noch ein paar Jahre auf Weltreise sind. Ring- du Gabelschlüssel sowie ein Ratschenkasten, wenn mal eine Schraube locker ist. Dazu Ducktape, Kabelbinder, Schlauchschellen, Draht, Delo Metallix und Sika. Frei nach meinem Motto aus Trabi-Zeiten: „Mit Gläbebond und Bindedroht fohr ich bis nach Lenigroht“
• Elektrik: Meine Bordelektrik habe ich im Griff, zur Not lege ich den Hauptschalter um und rufe dann meinen Sohn an
• Elektronik: Uuuuups! Zu Beginn leuchtete mehrfach die Motorleuchte auf und Victor lief dann nur im Notbetrieb. Die „normale“ Werkstatt konnte zwar die Fehlercodes auslesen und löschen, aber das half nicht. Und was macht Mercedes? „Wir haben dann mal die Software neu aufgespielt und den neuen Differenzdruckmesser ins System integriert“ sagt der Meister mir auf Anfrage. Na toll, und was mache ich dann oder ein Mechaniker in Jott-We-Deh?
• Sprit: Mein alter Vorkammerdiesel hat nahezu alles vertragen, im russischen Winter bei -34 °C sogar eine 50:50 Mischung mit Benzin. Angeblich ist der Diesel im Iran immer noch extrem schwefelhaltig mit über 1000 ppm. Also eher das, was Schiffe außerhalb von Europa bekommen. Im Iran gibt es keine Diesel-PKW. Dafür nur ganz alte Mercedes Rundhauber oder Lizenbauten, die mit Euro 4 Diesel und schlechter locker umgehen können. Was also macht der Dieselpartikelfilter (DPF) vom Vito? Setzt er sich zu? Kann ich den Filter „freibrennen“ mit Vollgasfahrten? Mische ich Euro 5 Diesel zu oder irgendwelche Additive? Keine Ahnung, ehrlich. Wenn irgendetwas ganz doll schiefgeht, dann muss Victor eben zurück in den Leistungsbereich des ADAC geschleppt werden …